Moin, Leser!
Ich starte hiermit eine Serie von Blogbeiträgen die eigenlich ein Lesetagebuch sind zu dem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ von Alice Hasters. Ich versuche in meinen Beiträgen Inhalte aufzugreifen und in kleine Häppchen zu teilen. Bei so einem aufwühlenden Thema habe ich eben viel dazu zu sagen… O:-)
Ich werde die Beiträge nummerieren (LT1, LT2 usw). Außerdem kannst du die anderen Beiträge über das Schlagwort „Rassismus Lesetagebuch“ finden.
Wenn ich etwas falsch formuliere oder verletzend bin, dann weis mich bitte darauf hin. Ich stehe bei dieser Reise der Weiterbildung noch am Anfang.
Hinterlass mir gerne deine Gedanken
LG
Gedankenpilze
Bis 35%:
Schwarze Geschichte in / bezüglich Deutschland wird aus dem Geschichtsunterricht ausgeklammert. So als wären Schwarze keine Deutschen. Dabei leben schon seit dem 15 Jahrhundert schwarze Menschen in Deutschland. Zum größten Teil nicht freiwillig. Kinder aus Sklavenfamilien wurden eine Zeit lang als Souvenire verschenkt. Im Nationalsozialismus wurden Schwarze angefeindet, zwangssterilisiert, ermordet. Es gab Völkerschauen, also Menschen-Zoos.
Das war jetzt eine sehr unchronologische, wirre Aufzählung aus verschiedenen Zeiten. Grundinformation: Es gibt relevante historische Ereignisse, die schwarze Menschen in Deutschland betreffen. Aber davon wird nicht erzählt.
Wieso reden wir über diese Dinge nicht?
Nächstes großes Thema – Schule und Intelligenz. Etwas, das mich sowieso brennend interessiert.
Generell haben wir ein falsches Bild davon, was Intelligenz meint. Der IQ-Test ist kein sinnvoller Maßstab für Intelligenz, was schon der Erfinder dieses Tests deutlich machte. Der Test sollte feststellen wo Schüler vom Lernniveau her stehen, um zu ermitteln wer Nachhilfe bekommen sollte.
Intelligenz angeboren? Nur zum Teil!!! Und wie groß oder klein dieser Teil ist, ist nach wie vor unbekannt. Stattdessen findet eine schubladenartige Stigmatisierung statt.
Nicht wirklich überraschend: Das deutsche Schulsystem stabilisiert und verstärkt soziale Ungerechtigkeit. Mit einem höheren Bildungsabschluss ist es wahrscheinlicher, später in Machtpositionen kommen zu können. Menschen mit Hauptschulabschluss werden gegenüber Menschen mit Abitur benachteiligt.
Die Autorin schreibt vom Golem-Effekt und vom Stereotype Thread. Wenn von einem erwartet wird, dass man schlechte Leistungen abliefert, steigt die Wahrscheinlichkeit, schlecht abzuschneiden.
Menschen die eine andere Hautfarbe haben als weiß, werden strukturell in der Schule benachteiligt von Lehrern. Oftmals passiert das unbewusst.
Der unbewusste Rassismus hat große Macht. Und wieder reden wir hier über eine unauffälligere, nicht körperlich gewalttätige Art von Rassismus. Menschen die nicht weiß sind, wird weniger zugetraut. Und das verschlechtert ihre Chancen.
Das alles verdeutlicht Wissen, das mir bekannt war.
Als jemand der selbst „durchs System gefallen ist“, indem ich auf dem Gymnasium in der fünften Klasse sehr schlechte Leistungen erbrachte, ist mir das Thema deutsches Bildungssystem und der Umgang oder die Zuschreibung von Intelligenz bekannter, als alles andere in diesem Hörbuch und zum ersten mal habe ich das Gefühl, etwas dazu sagen zu dürfen, ohne auf sehr dünnem Eis zu stehen.
Denn diese Erfahrung hat mich geprägt. Das Gefühl, zu dumm zu sein, um etwas zu begreifen, prägt mich bis heute. Ich muss mir immer noch ständig selbst das Gegenteil beweisen und verliere manchmal das Vertrauen in meine kognitiven Fähigkeiten und werde kleinlaut.
Auch das Interesse dafür, was Intelligenz ist und was gute Noten mit Intelligenz zu tun haben, ist für mich, seit ich eine Fünftklässlerin war, von großem Interesse.
Was ich nicht wirklich daran verstehe: Natürlich habe ich meine schlechte Erfahrung irgendwie mehr selbst verschuldet, als Menschen mit anderer Hautfarbe als weiß. Familiäre Umstände und vielleicht auch mein Mangel an emotionaler Reife oder die Fähigkeit mich selbst zu organisieren, haben meine Noten im Sturzflug in den Keller befördert. Dumm war ich damals nicht. Aber meine persönliche schulische Krise hatte nichts mit Rassismus zu tun und insofern ist meine Erfahrung anders, als die von Schülern, die durch ihr Aussehen schulisch benachteiligt werden. Die Lehrer hatten keine niedrigere Erwartung an mich, als an andere Kinder, aufgrund meines Aussehens.
Und das ist eigentlich der Punkt in diesem Buch.
Ich weiß dass Intelligenz und gute Noten nicht viel miteinander zu tun haben. Gute Noten hängen von vielen Faktoren ab. Schnelles Auffassungsvermögen oder die Fähigkeit den Inhalt zu begreifen – das ist insgesamt nur ein kleiner Teil. Ein Schüler ist so vielen Faktoren unterworfen, die seine schulisch gezeigten – und von Lehrern wahrgenommenen – Leistungen beeinflussen.
Es ist so, dass es auf Gymnasien überproportional viele weiße Kinder gibt und auf Hauptschulen überproportional viele Schüler mit anderen Hautfarben als weiß oder Migrationshintergrund in der Familie.
Das liegt NICHT daran, dass Intelligenz etwas mit der Herkunft zu tun hat!!! Weiße Menschen sind genauso dumm oder klug wie andere. Es gibt Individuen mit hoher Intelligenz und welche mit mittelmäßiger oder niedriger. Und dann wäre da noch die Frage was ist Intelligenz und bleibt sie innerhalb des Lebens eines Individuums konstant? Eher nicht.
Trotzdem brechen Menschen mit anderer Hautfarbe oder äußeren Merkmalen als „weiß“ häufiger ihre akademische Laufbahn ab, als weiße Menschen.
Ich habe gerade das Gefühl mich in dem Thema total zu verzetteln.
Jedenfalls: Wenn sich Lehrkräfte bewusster darüber werden, dass Menschen – die nicht weiß sind oder einen Migrationshintergrund haben, – strukturell benachteiligt oder stigmatisiert werden („kann nicht so gut deutsch / ist dümmer“) DANN kann sich etwas verändern.
Aber wir dürfen diesen Aspekt nicht länger totschweigen!!! Jeder sollte sich selbst und seine unbewusste Einstellung hinterfragen, um Rassismus überhaupt bemerken zu können.