Moin, Leser!
Ich starte hiermit eine Serie von Blogbeiträgen die eigenlich ein Lesetagebuch sind zu dem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ von Alice Hasters. Ich versuche in meinen Beiträgen Inhalte aufzugreifen und in kleine Häppchen zu teilen. Bei so einem aufwühlenden Thema habe ich eben viel dazu zu sagen… O:-)
Ich werde die Beiträge nummerieren (LT1, LT2 usw). Außerdem kannst du die anderen Beiträge über das Schlagwort „Rassismus Lesetagebuch“ finden.
Wenn ich etwas falsch formuliere oder verletzend bin, dann weis mich bitte darauf hin. Ich stehe bei dieser Reise der Weiterbildung noch am Anfang.
Hinterlass mir gerne deine Gedanken
LG
Gedankenpilze
Bis 23%:
Das Buch hat mich tatsächlich zum Weinen gebracht und ich kann gar nicht verstehen warum.
Es kam das Thema Rassismus durch Ignorieren vor – eine Kindheitserinnerung bei der die schwarze Mutter (die professionelle Tänzerin ist) nicht zum irischen Volkstanz aufgefordert wurde, im Gegensatz zu ihren Kolleginnen.
Danach das Thema Schule. Unterrichtsmaterialien sind auf einen weißen, männlichen, heterosexuellen Rezipienten zugeschnitten – bei dem Punkt männlich bin ich mir aber sehr unsicher. Ich hatte nie das Gefühl dass es weniger Frauen als Männer gab in den Materialien. Es gibt in Beispieltexten Familie Schmidts, im Biologie Unterricht nur Abbildungen von weißen Körpern usw
Die Autorin erzählt von einem Erlebnis aus der Schulzeit. Im Geschichtsunterricht ging es um die Kolonialisierung von Afrika. Es entspann sich ein Diskurs und die Autorin wurde als einzige schwarze Schülerin ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt – aus der Unsicherheit heraus wie man schwarze Menschen denn nennen sollte (im gelesenen Text kam tatsächlich das N. Wort vor). Die Unterrichtsatmosphäre wurde lustig aufgelockert („Man weiß ja gar nicht mehr was man noch sagen darf“ / „diese verkrampfte Überkorrektheit ist völlig überbewertet“).
Ich glaube das ist der Punkt, an dem ich anfing zu weinen. Das ist vielleicht anmaßend von mir, aber ich mache das nicht mit Absicht. Ich weiß gar nicht woher mein Gefühl kommt, warum mich das bedrückt, wenn ich selbst nie ein Opfer von Rassismus war. Ich habe das Gefühl die Situation nachfühlen zu können, aber das kann ich vermutlich gar nicht.
Ich musste an ein Erlebnis denken aus meiner eigenen Schulzeit. Meine Lehrerin nötigte eine (türkisch-stämmige?) Mitschülerin dazu Preis zu geben, wie viel ihre Brüder in der Familie zu sagen hatten und mit sichtlichem Zögern und Widerwillen erzählte die Mitschülerin, dass sie ab einem gewissen Alter mehr zu sagen hatten als ihre Mutter. Daraufhin brach fassungsloses Gemurmel aus. Meine Mitschülerin war kein Teil des „Wir“ der Klasse in diesem Moment – sondern saß da wie auf dem Präsentierteller. So habe ich das damals gesehen. Ich erinnere mich, dass ich es nicht richtig fand, wie meine Mitschülerin so gezwungen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt wurde. Schließlich war es ja offensichtlich, dass sie das unangenehm fand. Aber gesagt habe ich nichts dagegen. Ich glaube dass meine Lehrerin aus feministischen Motiven handelte. Mehr als einmal hat sie zur Sprache gebracht dass es eine Unterdrückung von Frauen sei, wenn Frauen Kopftücher tragen müssten.
Das ist wieder ein anderes Thema von gesellschaftlicher Ausgrenzung, von dem ich auch keine Ahnung habe. Ich habe später in einem ganz anderen Kontext unter vier Augen mit einem Mädchen geredet, das Kopftuch trägt und das mir erzählt hat, dass es vorkommt, dass Leute extra die Straßenseite wechseln, nur um sie zu beleidigen. Ich war völlig perplex, weil ich so etwas noch nie mitbekommen hatte und nicht glauben konnte, dass solche Ausgrenzungen noch an der Tagesordnung sind. Ich weiß noch, dass ich in dem damaligen Gespräch das Tragen eines Kopftuchs mit persönlichen Stilentscheidungen wie gothic gleichsetzte, was mir jetzt im Nachhinein sehr unpassend erscheint. Und ich habe mich nicht getraut zu fragen warum sie es denn macht, da das Mädchen zuvor erzählt hatte, wie blöd es sei, dass sie ständig von Fremden danach gefragt wurde. Ich habe auch später mal mit Leuten in einem Raum eine Diskussion über Kopftücher geführt, wo ein Mädchen mit Kopftuch im Raum saß. Ohne sich an dem Gespräch zu beteiligen, vermutlich hat sie es einfach ignoriert. Das war mir unangenehm, aber ich wusste nicht – und weiß bis heute nicht – wie man es richtig gemacht hätte. Darf man das überhaupt diskutieren, wenn man keine Ahnung hat? Aber der Redebedarf ist da. Ich glaube das Problem ist, dass ich nicht verstehe, wie man über Kopftücher reden kann, ohne etwas Falsches zu sagen. Vor allem da ich ja einfach keine Ahnung habe warum das jemand tut und wie es sich anfühlt, deshalb anders behandelt zu werden.
Ich glaube die gesellschaftliche Benachteiligung unterliegt den selben Mechanismen wie bei Menschen mit anderer Hautfarbe als weiß. Es entspricht nicht der propagierten „Norm“.
Außerdem prangert die Autorin in dem Buch an, dass man über „die Medien“ als Sündenbock für viele soziale Ungerechtigkeiten redet. Denn Medien sind divers und Medien werden von Menschen gemacht. Dadurch dass man über „die Medien“ rede, würden die Menschen dahinter (zumeist Weiße) unsichtbar und fühlten sich nicht angesprochen. Außerdem reiche es nicht, Menschen mit anderer Hautfarbe als weiß vor die Kamera zu setzen. Auch das Personal bei der Produktion von Medien / Content müsse diverser besetzt werden. Nur so kann das verzerrte Bild, das von verschiedenen Medieninstanzen gezeichnet wird, entzerrt und realistischer und diverser werden.
Dann kommt ein Teil über Deutschunterricht. Immanuel Kant und Hegel – beide gefeierte Philosophen, aber auch schlimme Rassisten, die schwarze Menschen und Menschen mit anderer Hautfarbe als weiß im Deckmantel von logischen Abhandlungen systematisch herunterwürdigen. Die Autorin liest Zitate davon vor – Ich glaube mir wird langsam schlecht. Die Autorin kritisiert dass das im Deutschunterricht nicht erwähnt wird – kein Wunder. In der Uni, wo neue Deutschlehrer ausgebildet werden, erwähnt dass ja auch keiner.
Das sind Dinge die man lieber absichtlich ausblendet.